Kind und Hund

Kind und Hund

Ab welchem Alter und warum kann, bzw. darf ein Kind/Jugendlicher deiner Meinung nach einen Hund selbstständig erziehen und halten?

Anita Balser meint

Ich finde Verallgemeinerungen zu diesem Thema schwierig. So wie es sehr reife und verantwortungsvolle 10- jährige gibt, so gibt es planlose und unstrukturierte Erwachsene die besser keinen Hund halten sollten.

Allerdings fragst Du nach dem SELBSTÄNDIGEN erziehen und halten und wenn man das so definiert dass es komplett ohne Hilfe und Aufsicht eines Erwachsenen passieren soll, dann würde ich sagen ab 18 Jahre. Dann gilt man auch im rechtlichen Sinne als erwachsen (ob man es dann tatsächlich ist ist natürlich eine völlig anderen Frage ;-)

Davon abgesehen kenne ich viele Kinder und Jugendliche die mit dem Hund der Familie weit besser zurecht kommen, als Mutter oder Vater. Warum? Weil sie oft einfach noch viel intuitiver handeln ohne viel nachzudenken und Hunde diese intuitive
Führung viel besser annehmen, als die verpsychologisierte Herangehensweise vieler Erwachsener.

Ich habe mal ein 4-jähriges Mädchen beobachtet, dass an einem Kindertischchen saß und ein Stück Kuchen aß. Ein kleiner Welpe kam und wollte den Kuchen klauen. Das Mädchen schlug mit der Hand energisch auf den Tisch und verteitigte ihren Kuchen. Der Welpe verstand sofort und trollte sich. Die Eltern, die durchaus bereits Schwierigkeiten hatten den Welpen von solchen Dingen abzuhalten, staunten nicht schlecht.

Aber ich sehe hier in meinem Dorf auch 14-jährige Jungs die mit halbstarken, zerrenden Labbis unterwegs sind, wo es völlig klar ist dass sie die im Notfall nicht halten können. Das ist verantwortungslos und gefährlich.

Und genau diesen "Worst Case" sollte man als Elternteil bedenken, wenn man aus Zeitnot den Sohn oder die Tochter mit dem Hund rausschickt. Ein unerzogener Hund mittlerer Größe kann enorme Kräfte aufbringen, wenn er irgendwo hin will, allein schon deshalb sollte das Kind dem Hund zumindest körperlich gewachsen sein.

Ihr merkt schon, ich lege mich da ungern fest. Jeder Fall ist anders. Außerhalb des Spaziergangs können und wollen meiner Erfahrung nach Kinder und Jugendliche in die Erziehung des Hundes mit einbezogen werden und sollten das auch dürfen. Nicht selten können wir Erwachsene von ihnen noch was lernen.

Harry Meister hat geantwortet

Viele Kinder wünschen sich einen Hund. Doch Eltern sollten wissen; letztendlich liegt die Verantwortung für das Tier und die körperliche Unversehrtheit der Kinder bei Ihnen! Kinder können in der Regel noch nicht ermessen, wie gross die Verpflichtung und Verantwortung ist, die sie übernehmen sollen.

Kinder und Hunde passen meist sehr gut zusammen. Aber Kinder und Hunde haben eines gemeinsam, sie sind kleine Egoisten. Für Kinder spielen Hunde eine ganz besondere Rolle: Kinder können viel durch den Umgang mit Hunden lernen. Sie lernen ein anderes Lebewesen zu verstehen und zu respektieren. Sie lernen, wie ein Hund auf ihre Sprache und ihr Verhalten reagiert. Sie überdenken ihr Verhalten und erkennen, wie wichtig Ehrlichkeit und Verlässlichkeit für den Umgang miteinander sind. Sie lernen vor allem, was es bedeutet, Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu haben.

Im Vergleich mit anderen Haustieren kommunizieren Hunde differenziert und deutlich mit ihresgleichen und mit Menschen über die Körpersprache und über akustische Signale. Sie zeigen, was sie mögen und was ihnen missfällt. Sie fordern das Kind aktiv zum Spielen und Streicheln auf. Diese Eigenschaften tragen sehr viel dazu bei, dass viele Kinder sich vor allem einen Hund als Haustier wünschen. Hunde fördern die psychische Entwicklung, der positive Einfluss von Hunden auf die seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, dies belegen viele Studien.

Aber(!) Selbst mit 18 Jahren sind die meisten Jugendlichen noch lange nicht erwachsen. Die tatsächliche Reife setzt viel später ein. Bis ca. zum 25 Lebensjahr, sagen auch Psychologen, sind die Persönlichkeitsprofile von Jugendlichen besonders fragil und instabil. Auf der Suche nach sich selbst entstehen Verunsicherung im hohen Masse.  Diese Entdeckungsreise führt oftmals zu Einsamkeit, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht.

Meine Erfahrung der Kind – Hund Arbeit zeigt, dass die meisten Beziehungen unproblematisch sind und ein harmonisches Miteinander gelebt werden kann. Dabei ist zu bemerken, dass die erwachsenen Mitglieder im Familienverbund massgeblich an der Erziehung des Hundes mitbeteiligt sind. Das Kind kann sich somit mehr in die Unbekümmertheit und Unbefangenheit in der Hund-Kind Beziehung eingeben. In Fällen die weniger befreit abgelaufen sind, sich Problemverhalten oder gar unschöne Zwischenfälle zugetragen haben, liefen mehrere «Dinge» falsch.

Eine unpassende Rasse oder Hundetyp wurde gewählt, die Eltern hielten sich komplett aus den Erziehungsaufgaben heraus und liessen das Kind damit alleine und/oder die wichtigen Strukturen zur positiven Entwicklung waren nicht vorhanden oder wurden vernachlässigt. Schaden nehmen dabei immer Beide, Kind wie Hund! Erheblich schwieriger gestaltet sich die Situation, wenn Jugendliche aus einer Laune heraus oder aus Rebellion einen Hund mit Charakter / Potential zulegen. Kaum fähig, selbst auf eigenen Beinen zu stehen, eigene Defizite über den Hund kompensieren oder noch schlimmer; den Hund «nur mit Liebe und Wohlwollen» zu erziehen. Dies geht oftmals schief und es entwickeln sich Problematische Momente oder Situationen.

Meine Überzeugung ist; dass Kinder sehr wohl mit Hunden können und dürfen, ja sogar sollten. ABER, niemals ohne umsichtige Unterstützung und Begleitung durch Erwachsene. Selbstständig erziehen und korrektes halten eines Hundes in der heutigen Gesellschaft scheint mir nicht vor dem 25. Lebensjahr, im vollem Umfang möglich zu sein.

Dr. Marie Nitzschner schreibt folgendes

Puh, ich denke, das kann ich nicht pauschal beantworten. Zum einen hängt es natürlich vom „Reifegrad“ und von der Vorerfahrung des Kindes/ Teenagers ab, zum anderen auch vom Temperament des Hundes. Und dann wäre noch die Frage, welchen Umfang „selbstständig erziehen und halten“ hat.

Wenn das Kind der Hauptverantwortliche innerhalb der Familie ist, aber die Eltern noch ein Auge drauf haben, ist es sicherlich etwas anderes, als wenn der Erziehungsauftrag komplett abgegeben und das Kind mit dem Hund alleine gelassen wird.

Sami El Aayachi ist der Meinung, dass

Das Alter ist nicht zwingend festlegbar, denn zu meiner Überraschung sind Kinder im Alter von drei Jahren durchaus in der Lage erzieherische Maßnahmen zu ergreifen. Dies sollte aber nicht von erwachsenen erwartet werden, sondern allenfalls beobachtet und unterstützt werden. Erziehung ist daher unabhängig vom Alter möglich.

Der Erziehungsauftrag sollte jedoch nicht beim Kind allein liegen. Das Ausführen eines Hundes ist aber Versicherungsrechtlich erst ab dem 14. Lebensjahr erlaubt.

Vanessa Engelstädter hat geantwortet

Lt. Hundehalterverordnung muss der Hundehalter körperlich und geistig dazu in der Lage sein, seinen Hund so zu führen, dass Menschen, Tiere oder Sachen nicht gefährdet werden, lt. Straßenverkehrsordnung sollte ein Kind mind. 14 Jahre alt sein. Und dann gibt es noch die individuellen Bestimmungen je nach Bundesland. Versicherungstechnische Gründe sind ebenfalls zu beachten. So viel zu dem „behördlichen“ Teil.

Meine persönliche Meinung richtet sich nach meiner bisher gemachten Erfahrung: ich kenne achtjährige Kinder, die ein geniale Beziehung zu ihren Hunden haben und sehr verantwortungsbewusst sind, ich kenne zehnjährige Kinder, die ihre Hunde als Ablassventil nutzen, sie drangsalieren und wenig Respekt (vor Mensch und Hund) haben, ich kenne gehandicapte Kinder, die sehr gut auf die Bedürfnisse ihrer Hunde eingehen und an dem Kind orientierte Hunde. Ich kenne Hunde, die „leichtführig“ sind und Hunde, mit einer starken Persönlichkeit. Meine eigenen Kinder wachsen mit schwierigen Hunden auf und zeigen eine Menge Verantwortungsbewusstsein, aber auch eine sehr natürliche Durchsetzungsfähigkeit.

Von daher meine „eindeutige“ Meinung dazu: die Frage des Alters ist so individuell wie alles in der Mensch-Hund-Kommunikation, es kommt auf das Kind, den Hund und der Umwelt an, in der die beiden leben!
Der wohl wichtigste Faktor sind die Erziehungsberechtigten, die den Umgang mit Hunden vorleben und an denen sich Kinder automatisch orientieren.

Auch Robert Mehl meint

Ich glaube, ab welchem Alter ein Mensch die Verantwortung für ein anderes Lebewesen übernehmen kann, hängt von zu vielen Faktoren aufseiten des Kindes/Jugendlichen ab, um eine pauschale Antwort auf den Einzelfall anzuwenden. Mich würden vor allem (aber nicht nur) der allgemeine Entwicklungsstand („Reife“), der Stand der ethischen Entwicklung (Moralentwicklung), der Stand der Erziehung des Kindes/Jugendlichen, seine konkreten Lebensumstände sowie der Grad seiner sozialen Einbindung und Unterstützung interessieren. Dazu kommen Faktoren auf der Seite des Hundes: Rasse, Alter und Persönlichkeit, um nur wenige zu nennen.

Falls man mich doch zu einer pauschalen Antwort drängen würde, würde ich aufgrund des Wortes „selbständig“ dazu neigen, die Volljährigkeit als Stichtag zu nehmen, da man erst dann auch selbst mit (fast) allen Rechten und Pflichten als selbständig angesehen wird.

Mit (alters-)angemessener Unterstützung unter den passenden Lebensumständen sind viele Jugendliche aber sicherlich auch deutlich früher in der Lage, sich weitgehend(!) selbständig und angemessen um den für sie richtigen Hund zu kümmern. Dabei darf man nicht vergessen, dass bei vielen Heranwachsenden Loyalität, ein Gefühl für Gruppenzugehörigkeit und Sensibilität für ethisches Handeln gerade in der Pubertät sehr ausgeprägt sind, genauso wie auf der Schattenseite emotionale Instabilität, mangelnde Impulskontrolle, Risikobereitschaft, Unzuverlässigkeit und Sprunghaftigkeit in den Interessen. Am zuverlässigsten können sicherlich in vielen Fällen die Eltern einschätzen, ob und in welchem Ausmaß ihr Nachwuchs die Verantwortung für einen Hund übernehmen kann und welche Aspekte der Verantwortung von allen Familienmitgliedern, die mit dem Hund zusammenleben, geteilt werden sollen.

Laut Kate Kitchenham ist

Ein eigener Hund fürs Kind – ein schöner, häufiger Wunsch! Die Realität ist aus Hundesicht eine andere: als Opportunisten möchten sie, dass es ihnen gut geht und fühlen sich sicher in der Begleitung souveräner Erwachsener. „Lassies“ gibt es wenige auf dieser Erde, vernünftige Hunde erkennen sofort, wer im Haushalt erwachsen und wer selber noch ein Kind ist.

Entsprechend begegnet er uns altersentsprechend: meine Kinder sind für meine Hund gute Kumpels, die man im Zweifelsfall wenig ernst nimmt. Ich und mein Mann sind für die Hunde Orientierungspfosten und verbindliche Anker, an deren Seite sie sich sicher durch die Welt bewegen. Für den Hund ist der Mensch ein Pseudoartgenosse, der in die Position des Elternteils rückt, das er im besten Falle niemals verlässt.

Diese durch Domestikation erworbene dauerhafte Jugendlichkeit befähigt den Hund, Zeit seines Lebens in der Rolle des „nicht auszugswilligen Gruppenmitgliedes“ zu leben. Er sieht sich selbst als Kind im Verband. Für Kinder ist diese Tatsache erschütternd, denn sie hatten von einem Kumpel geträumt, mit dem sie alleine um die Häuser ziehen können, der sie rettet aus Gefahrensituationen und Nachbarskinder mit tollem Gehorsam zutiefst beeindruckt.

Doch nur mit kleinem Menschen an der Seite fühlen sich die meisten Hunde eher unwohl und gehen lieber ihrer eigenen Wege. So ist es mir mit unserer dicken Labradorhündin Clara damals auch ergangen: sie ist mit mir so lange draußen durch die Gegend gestreift, wie ich Kekse in der Tasche und sie Lust hatte. Irgendwann hat sie den Heimweg angetreten – und wir Geschwister und Freunde haben alleine in Feld, Wald und Wiesen weitergespielt.

Was waren das für schöne, freie Zeiten, für Hunde und Kinder! Heute rate ich Eltern sogar davon ab, ihre Kinder alleine mit dem Hund Gassi gehen zu lassen. Was hat sich verändert? Hatte ich nicht wunderbare, unvergesslicher Erlebnisse als Kind? Sind wir alle zu ängstlich geworden im Alltag? Neuerungen gibt es - zum einen in der Gesetzeslage – ein Hundehalter muss mindestens 14 Jahre alt sein, um einen Hund alleine führen zu dürfen.

Aber sind alle 14jährigen dazu wirklich in der Lage? Mit der richtigen Einschätzung einer banalen sozialen Situation zwischen Hunden sind ja schon viele Erwachsene überfordert wie der Alltag zeigt. Und was passiert, wenn der eigene Hund in Panik auf die Straße rennt oder von einem anderen Hund attackiert wird? Wird ein Kind oder Jugendlicher mit dieser Situation alleine fertig werden? … Letztlich muss jeder für sich entscheiden, ob er dieses Risiko auf sich nimmt und Hund und Kind fantastisch-schöne, oder eben auch eventuell traumatische Erfahrungen erleben lässt.

„Ein Hund ist immer
das Spiegelbild seines Menschen.“

© Oliver Jobes, Erziehungs- und Verhaltensberater